Wer an Afghanistan denkt, denkt an Unterdrückung, Krieg, Brutalität und religiösen Fanatismus. Die Wenigsten wissen, dass Afghanistan einst ein unbekümmertes Land war, in das man gerne reiste. Ein Land, das in seinen 60ern und 70ern seine goldene Ära hatte, in der viele Hippies auf ihrer Reise nach Indien Halt machten und verweilten. Ein Land, das seit der sowjetischen Intervention ab 1979 eine Welle der Gewalt und des Krieges erlebt, das seine Bürger immer noch ertränkt: die Rote Armee, die Taliban, der Krieg des Westens gegen den Terror. Fakt ist, dass diese Ereignisse das Land in ihrer Entwicklung und in ihrem Fortschritt „zurückgebombt“ hat, sodass Afghanistan noch heute nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen.
Im „Human Development Index“, einem Wohlstandsindikator, belegt Afghanistan trotz positivem Wirtschaftswachstum Platz 169 von 187 Staaten und ist somit eines der ärmsten Länder der Welt. Mit einer Analphabeten-Rate von ca. 70 % – bei den Frauen liegt diese sogar bei ca. 90 % – verfügt das Land nicht über das benötigte Humankapital, um Arbeitsplätze jenseits des Agrarwesens zu schaffen.
Die Bildungslage in Afghanistan
Die fehlende Bildung bzw. das fehlende Bildungsangebot ist unter anderem dem Kriegsgeschehen seit 1979 geschuldet: viele Schulen wurden zerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut, Tausende Lehrer flohen aus dem Land oder fielen dem Krieg zum Opfer. Während des Taliban-Regimes (1996 bis 2001) wurde Mädchen und Frauen zudem der Zugang zu Bildung verweigert. Während ihrer Regentschaft besuchten etwa 88 % aller Kinder nicht die Schule. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der Qualität der Lehrkräfte wider. Der Mehrzahl fehlt es an einer qualifizierten Ausbildung. Seit dem Ende dieses Regimes nimmt die Zahl der Schulkinder wieder zu. So spricht man heute von einer Schulbeteiligung von ca. 60 %.
Obwohl sich die Regierung seit den frühen 2000ern bemüht, das Bildungssystem Afghanistans wieder herzustellen, haben zumeist in den ländlichen Gebieten etliche Kinder keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Über 700 Schulen liegen in Kriegsgebieten und sind derweil immer noch geschlossen. Sie werden sowohl von Regierungstruppen als auch von den Taliban fremdentzweckt und als Munitions- und Waffenlager genutzt. Für die wenigen existierenden Einrichtungen fällt die staatliche Unterstützung außerdem eher dürftig aus.
Ebenso liegen wirtschaftliche Gründe vor: Einerseits sind zahlreiche Kinder unabdingbare Geldverdiener für die Familie. Während der Opiumernte fällt für viele Kinder der Schulbesuch aus. Andererseits ist ein Schulbesuch für viele Familien finanziell untragbar, da die Kosten für Schulmaterial nicht aufgebracht werden können.
Ein vorzeitiges Verlassen der schulischen Institution ist daher leider keine Seltenheit.